L-Cystein im Muskelaufbau

Cystein ist eine Aminosäure, die im Dreibuchstabencode durch „Cys“ gekennzeichnet wird. Im menschlichen Körper findet sie sich in Proteinen wieder, allerdings enthalten nicht alle Proteine Cystein. Das Vorkommen beschränkt sich hauptsächlich auf Faserproteine wie Haare oder Nägel. Durchschnittlich weisst die Aminosäure einen Gehalt von zweieinhalb Prozent am Gesamtprotein auf.

Cystein zählt zu den sogenannten essentielle Aminosäuren. Darunter fallen all diejenigen, die vom Körper nicht selbst gebildet werden können. Um dem Körper die erforderliche Menge der lebensnotwendigen Aminosäure bereit stellen zu können, ist die Aufnahme dieser durch die Nahrung obligatorisch. Neben Cystein sind beispielsweisse auch Lysin oder Valin essentielle Aminosäuren.

Dem gegenüber stehen die nicht essentiellen Aminosäuren. Diese können vom Körper selbst synthetisieret werden, wodurch die Aufnahme durch Lebensmittel ergänzend, aber nicht lebensnotwendig wird. Beispiele für solche Aminosäuren sind Glutamin und Glycin. Genau genommen zählt Cystein zu den semi-essentiellen Aminosäuren. Darunter fallen solche, die in Notsituationen vom Körper aus anderen Aminosäuren gebildet werden können. Cystein kann aus Methionin, Phenylalanin und Serin synthetisiert werden. Da die ersten beiden jedoch unter die essentiellen Aminosäuren fallen, wird im Allgemeinen auch Cystein diesen zugerechnet.

Chemische Hintergründe

Cystein umfasst zwei unterschiedliche Formen, die beide strukturell gleich aufgebaut, aber spiegelbildlich zueinander sind. Man spricht dann von sogenannten Enantiomerenpaaren und benennt diese nach der Fischer-Nomenklatur als L-Enantiomer und D-Enantiomer. In Proteinen kommt ausschließlich das L-Cystein vor. Das D-Cystein und ein racemisches Gemisch (Eins-zu-eins-Gemisch beider Enantiomere) sind biologisch unbedeutend. Wird im Weiteren von Cystein ohne Stereoinformation gesprochen, so ist daher die L-Form gemeint. Das Prinzip der Enantiomere kann anhand der menschlichen Hände einfach illustriert werden. Diese sind aus den gleichen Grundbausteinen aufgebaut, verhalten sich aber wie Bild und Spiegelbild. Enantiomere unterscheiden sich in ihren chemischen Eigenschaften, beispielsweisse Geruch und sogar Giftwirkung. Unter gewissen chemischen Voraussetzungen kann es dazu kommen, dass sich zwei Moleküle Cystein zu einem Molekül Cystin verbinden. Es bildet sich dann unter Abgabe zweier Wasserstoffatome eine Verbindung der Schwefelmoleküle im Cystein. Man spricht dann von einer sogenannten Disulfidbrücke. Das so neu gebildete Molekül ist gegenüber den zwei einzelnen stärker und erhöht die Stabilität der Proteinstrukur.

Das Vorkommen von Cystein

Da Cystein zu den (semi-)essentiellen Aminosäuren zählt, ist die Aufnahme derer durch die Nahrung unerlässlich. In Lebensmitteln kommt die sie nur zu geringen Anteilen frei vor. Der größte Teil ist chemisch in Proteinen gebunden und muss erst durch Stoffwechselprozesse zugänglich gemacht werden. In der Liste der Nahrungsmittel mit dem meisten prozentualen Cysteingehalt am Gesamtprotein stehen Weizen-Vollkornmehl, Sonnenblumenkerne und Hühnereier an oberster Stelle. Diese weisen einen Anteil von über zwei Prozent auf. Dicht dahinter liegen mit knapp unter zwei Prozent Mais-Vollkornmehl und Sojabohnen. Fleisch und Fisch haben hingegen einen relativ geringen Gehalt, der bei Werten um etwa ein Prozent liegt.

Industriell ist eine Gewinnung der Aminosäure durch Einwirkung von Salzsäure auf Proteine wie Kreatin und anschließender Hydrolyse möglich. Das Kreatin selbst stammt aus Geweben wie Federn oder Tierhaaren. Neuerdings ist auch eine Darstellung durch Fermentation möglich. Dazu zählen Prozesse, bei denen durch Enzymatische katalysierte Umwandlung organische Stoffe zu Säuren, Gasen oder Alkoholen vergären. Für Cystein dienen dazu (teils gentechnisch veränderte) Bakterienkulturen. Diese Möglichkeiten der großtechnischen Gewinnung von Cystein macht den käuflichen Erwerb als Nahrungsergänzungsmittel in Kapsel- oder Pulverform möglich.

Bedeutung und Funktion im Körper

Cystein hat im Körper eine große Bedeutung für eine Reihe wichtiger Prozesse. Dies ist auf seine spezifische schwefelhaltige Struktur zurückzuführen. Freies L-Cystein ist wie bereits angesprochen recht reaktiv und reagiert schnell zu anderen Verbindungen. Daher speichert der Körper es in einer anderen Form, dem sogenannten Glutathion. Dieses wirkt antioxidativ und ist maßgebend für die Entsorgung schädlicher und giftiger Substanzen verantwortlich. Damit wird Krankheiten, welche durch eine Ansammlung toxischer Stoffe verursacht werden, vorgebeugt. Zu diesen zählen beispielsweisse Alzheimer und Multiple Sklerose. Im Lipidstoffwechsel ist Cystein beteiligt an der Bildung wichtiger Fettsäuren. Es ermöglicht den Aufbau von Zellmembranen und Nervenschutzhüllen. Also ist die Aminosäure auch mitverantwortlich bei der Verhinderung degenerativer Krankheiten wie Parkinson. Weiter ist durch Studien belegt, dass Cystein das Entzündungsrisiko von Verletzungen senkt. Grund dafür ist seine antioxidative Wirkung und die Fähigkeit, schädliche Radikale zu eliminieren. Damit unterstützt es das Immunsystem bei der Vorbeugung von Achillodynie und beim Heilungsprozess.

Für die im fortgeschrittenen Alter vor allem bei Frauen auftretende Krankheit Osteoporose ist Cystein ein Mittel zur Therapie. Der Knochenabbau ist mitunter auf die reduzierte Aktivität der Osteoklasten (für die Resorption verantwortlich) und herabgesetzte Kollagensynthese (Synthese des Strukturproteins für Bindegewebe) zurückzuführen. Eine Supplementierung mit Cystein wirkt diesen Effekten entgegen und verzögert den Knochenschwund. Ein großer Teil der Aufgaben des Cysteins ist die Proteinsynthese. Daher zählt es auch zu den sogenannten proteinogenen Aminosäuren. Als Eiweißbaustein verwendet der Körper die Aminosäure bei der Bildung von Bindegewebe, an das eine hohe Festigkeit gefordert wird. Ferner ist es Ausgangsverbindung bei der Synthese des Taurin. Dieses ist im Körper zur Weiterleitung von Nervenimpulsen und im Herz-Kreislauf-System wichtig.

Die Rolle des Cystein im Muskelaufbau

Als proteinogene, also als eine am Aufbau von Eiweiß beteiligte Aminosäure ist Cystein offensichtlich wichtig im Muskelaufbau. Darüber hinaus fördert sie aber noch in anderen Punkten den Aufbau von Muskeln und die Kraftsteigerung.
Zum einen fördert die Aminosäure die Bildung und Stabilisierung von Knochen und Knorpeln. Gerät dieser Aspekt bei starkem Muskelaufbau in den Hintergrund, können Knochenschmerzen und sogar Knochenschäden eintreten. Zum anderen ist Cystein eine Ausgangsverbindung bei der Biosynthese von Taurin. Dieses unterstützt die Stabilisierung von Zellmembranen und die Kontraktion des Herzens. Außerdem beschleunigt es durch Beeinflussung des Insulinspiegels den Stoffwechsel. Ganz wichtig ist Cystein auch bei der Entwicklung von Babys. Relativ zu ihrer Körpermasse betrachtet bauen sie schnell Muskel- und Knochenmasse auf. Da sie die Aminosäure selbst in Mangelzeiten noch nicht aus anderen Aminosäuren gewinnen können, sind sie auf die Aufnahme mit der Muttermilch angewiesen. Für stillende Mütter ist eine ausgewogene Ernährung mit bedacht auf ausreichende Cysteinzufuhr also von besonders hoher Bedeutung.

Zusätzliche Aufnahme von Cystein

Cystein ist zwar essentiell, kann also vom Körper nicht selbst gebildet werden, aber dennoch ist bei ausgewogener Ernährung eine ausreichende Versorgung des Körpers mit der lebensnotwendigen Aminosäure gewährleistet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt einen täglicher Bedarf von 13 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem Durchschnittsgewicht von 70 Kilogramm ergibt sich eine täglich notwendige Menge von knapp einem Gramm. Diese Dosis wird bereits durch eine normale Mahlzeit mit Fleisch-, Gemüse und Getreideprodukten gedeckt. Bei intensivem Betreiben von Sport steigt auch der Bedarf nach Cystein. Vor allem bei Sportarten, die auf Muskelmasse trainieren, ist eine ausreichende Zufuhr der Aminosäure sicher zu stellen. Grund dafür ist die Funktion als Stabilisator in Proteinen und Geweben und die Beteiligung an Aufbau und Stärkung von Knochen und Knorpeln. Bei unzureichender Dosis setzen Mangelerscheinungen ein, die den Muskelaufbau verlangsamen, hindern oder sogar rückgängig machen. Somit kann bei Sportlern eine höhere Aufnahmemenge von Cystein positive Effekte zeigen. Da der Gehalt des Cysteins jedoch nur etwa zwei Prozent am Gesamtprotein ausmacht, würde dies aber voraussetzen, eine deutlich höhere Menge Nahrung zu verspeisen, als der Körper benötigt. Um das Defizit besser auszugleichen ist daher die Einnahme höher dosierter Nahrungsergänzungsmittel in Pulver- oder Kapselform effektiver. Aufgrund der Beeinflussung des Insulinspiegels sollte eine solche aber nur nach zuvor erfolgter ärztlicher Absprache in Frage kommen.

Ursache und Auswirkungen von Über- und Unterdosierungen

Da der Körper selbst kein Cystein bildet und Nahrungsmittel nur einen geringen Gehalt dieser Aminosäure aufweisen, ist bei einer ausgewogenen Ernährung und normaler körperlicher Betätigung eine Überdosierung eher unwahrscheinlich. Eine solche entsteht im Allgemeinen nur dann, wenn eine zusätzliche Supplementierung erfolgt, ohne dass strakte körperliche Betätigung dies verlangen würde. Als Folge dessen zeigen sich Kopfschmerzen, Ohrensausen, Herzrasen, Übelkeit und Erbrechen. Seltener folgen Atembeschwerden und Verdauungsstörungen. Mitunter kann auch eine Veränderung von Haut und Schleimhaut eintreten. In diesem Fall ist die Aufnahme sofort abzubrechen und ärztlicher Rat beizuholen. Eine Unterdosierung ist gegenüber der Überdosierung weitaus wahrscheinlicher. In den meisten Fällen ist eine solche auf falsche Ernährung zurückzuführen. Aber auch starke körperliche Betätigung ohne zusätzliche Zufuhr der Aminosäure vermag eine solche zu verursachen.

Weiter ist ein auftretender Mangel auf einen gestiegenen Bedarf rückführbar, der durch andere Funktionen des Cysteins entsteht. Ein Grund könnte beispielsweisse eine Verletzung sein oder die Erkrankung an Osteoporose. An der Heilung beider ist die Aminosäure beteiligt und daher in höherem Masse benötigt. Der Mangel zeigt sich an all den Stellen, an denen sich Cystein beteiligt. Angefangen bei sprödem und rissigem Haar und ebensolchen Nägeln gehen die Symptome über trockene und rissige Haut bis hin zu Infektanfälligkeit und Erkrankung der Atemwege.

Zusammenfassung und Fazit

Cystein ist eine semi-essentielle Aminosäure, das bedeutet, dass sie in Engpässen vom Körper zwar aus anderen Aminosäuren gebildet werden kann, aber grundsätzlich nur durch Aufnahme mit der Nahrung für den Körper erhältlich ist.
Es ist in einer Reihe wichtiger Prozesse im Körper inkludiert. Seine positive Wirkung beim Muskelaufbau ist auf die Stärkung und Stabilisierung der Zellmembranen und die Beteiligung am Eiweißaufbau zurückzuführen. Ein Cysteinmangel ist im Allgemeinen unwahrscheinlich, bei starker sportlicher Betätigung kann jedoch – gegebenenfalls unter ärztlicher Absprache – eine zusätzliche Aufnahme notwendig sein. Andernfalls folgen gesundheitlich relevante Mangelerscheinungen. Auch bei Überdosierungen zeigen sich gesundheitliche Folgen, die aber im Normalfall nur bei zusätzlicher Aufnahme ohne deren Notwendigkeit eintreten.